Gegenseitiger Kündigungsverzicht im Mietvertrag
 
Bei Mietverträgen über Wohnungen ist nach der Neuregelung des Mietrechts zum 01.09.2001 zu beachten: Zeitmietverträge (Mietverträge auf bestimmte Zeit) sind nur noch sehr eingeschränkt zulässig. Nach § 575 BGB sind Zeitverträge nur dann noch zulässig, wenn der Vermieter ein besonderes, im Gesetz ausdrücklich genanntes Interesse an der Befristung hat.
Als besonderes Interesse kommt praktisch vor allem Eigenbedarf in Betracht. Wenn Eigenbedarf bereits bei Vertragsschluss absehbar ist (z.B. Tochter soll in einem Jahr zu studieren beginnen und dann die Wohnung in der Universitätsstadt nutzen), kann noch ein Zeitmietvertrag abgeschlossen werden. Neben Eigenbedarf können eventuell ein geplanter Abriss oder eine geplante Generalsanierung der Wohnung die Befristung erlauben.
Da Zeitmietverträge also nur noch sehr eingeschränkt möglich sind, stellt sich die Frage, ob auch auf andere Weise insbesondere eine längere vertragliche Bindung erreicht werden kann.
Oft liegt dies durchaus auch im beiderseitigen Interesse von Vermieter und Mieter. Wenn z.b. der Mieter umfangreiche Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen übernimmt, wird der Mieter ein Interesse daran haben, sicher zu sein "den Lohn seiner Arbeit" längere Zeit genießen zu können. Dem Vermieter mag es dann darum gehen, dass er nicht nach kurzer Zeit Probleme mit der Neuvermietung der Wohnung hat, weil deren Ausgestaltung nicht mehr ohne weiteres dem allegemeinen Geschmack entspricht.
Insofern ist zu fragen: Kann auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet werden?
Der Bundesgerichtshof hat durch Urteil vom 22.12.2003 (Az. VIII ZR 81/03) einen Fall entschieden, in dem die Mieter einer Wohnung befristet auf ihr Kündigungsrecht verzichtet hatten. In einer handschriftlich in den Vertrag eingefügten Regelung stand: "Die Mieter verzichten für die Dauer von 60 Monaten auf ihr gesetzliches Kündigungsrecht".

Der Bundesgerichtshof entschied: Dieser Verzicht auf das Kündigungsrecht ist wirksam. Dies mag erstaunen, denn erstens scheint die Neuregelung des Zeitmietvertrags in § 575 Bürgerliches Gesetzbuch entgegenzustehen. Hinzu kommt: Nach dem Wortlaut von § 573 c Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch kann von den Regelungen über das gesetzliche Kündigungsrecht nicht zum Nachteil des Wohnungsmieters abgewichen werden. Der Bundesgerichtshof stellte dem gegenüber darauf ab, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Neuregelung des Mietrechts ein Ausschluss des Kündigungsrechtes zulässig bleiben sollte.

Der Bundesgerichtshof stellte dabei heraus: Dieser einseitige Verzicht ist zumindest bei einer einzelvertraglichen - also nicht formularmäßigen Vereinbarung in der Art allgemeiner Geschäftsbedingungen - wirksam.

In weiteren Entscheidungen setzte sich der Bundesgerichtshof dann mit Mietverträgen auseinander, in denen beidseitig - durch den Mieter und den Vermieter - für eine gewisse Zeit das Kündigungsrecht ausgeschlossen worden war. In diesen Fällen war der entscheidende Punkt, dass der Kündigungsausschluss durch formularmäßige Vereinbarungen ausgeschlossen war.

In dem insoweit grundlegenden Urteil vom 30.06.2004 (Az. VIII ZR 379/03) entschied der Bundesgerichtshof: "Eine Bestimmung in einem Formularmietvertrag über Wohnraum, wonach die ordentliche Kündigung innerhalb der ersten zwei Jahre nach Vertragsschluss für beide Seiten ausgeschlossen ist, ist nicht nach § 307 BGB unwirksam."
Insoweit sei abschließend klargestellt, es geht hier und im Folgenden nur um das Recht zur ordentlichen Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung etwa wegen Mietzahlungsverzugs oder wegen gesundheitsgefährdendem Zustand der Wohnung bleibt unberührt.

Zusammenfassend ist für betroffene Vermieter und Mieter festzuhalten:

1. Bei einem einseitigen Verzicht nur durch den Mieter ist darauf zu achten, dass keine formularmäßige, sondern eine individuelle Vereinbarung vorliegt. Anderenfalls ist die Wirksamkeit des Kündigungsverzichts zumindest zweifelhaft.
Eine formularmäßige Vereinbarung ist nicht etwa allein dadurch ausgeschlossen, dass der Verzicht handschriftlich abgefasst ist. Eine formularmäßige Vereinbarung liegt zum Beispiel bereits vor, wenn der Vermieter diese Klausel mehrfach verwendet, oder dies auch nur vorhat. Ob die Verzichtsklausel im fertigen Vertragsformular ausgedruckt oder handschriftlich abgefasst ist, ist insofern nicht entscheidend. Ist der Vermieter Unternehmer, der Mieter hingegen Verbraucher, so reicht es ohne weiteres, dass der Kündigungsverzicht durch den Vermieter in den Vertrag aufgenommen wurde.

2. Ein Kündigungsverzicht der zeitlich befristet für beide Seiten gilt, ist auch durch Formularverträge möglich. Dies gilt zumindest nach derzeitiger Auffassung des Bundesgerichtshof.

3. Zur höchstzulässigen Länge eines ein- und zweiseitigen Kündigungsverzichts liegt noch keine eindeutige Rechtsprechung vor. In der Fachliteratur wird davon ausgegangen, dass eine Höchstdauer von vier bis fünf Jahren jedenfalls zulässig sei.
 


Stand: September 2004; Rechtsanwalt Paul Wegener, Ludwigshafen/Mannheim
 
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